Zukunft Tegel – warum Berlin TXL als Forschungs- und Produktionsstandort braucht

Flughafen Tegel. Foto: Dirk Laubner 2008

Wenn parallel zur Bundestagswahl über die Zukunft des Flughafens Tegel abgestimmt wird, dann ist dies gleichzeitig auch ein Votum über eines der größten wirtschaftsbezogenen Entwicklungsprojekte der letzten Jahre. Nicht weniger als die Etablierung einer „Urban tech republic“ hat sich das Team der Tegel Projekt GmbH vorgenommen, eines Forschungs- und Industrieparks für urbane Technologien von europäischer Bedeutung.

Das Projekt (siehe Video) wird bereits heute als so innovativ angesehen, dass es den Angaben der Entwickler zufolge von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen als weltweit erstes Gewerbequartier mit Platin ausgezeichnet wurde. Dennoch: Braucht Berlin nach Adlershof, Buch, EUREF und vielen anderen Standorten tatsächlich einen weiteren Technologiepark?

Wir haben uns bereits im Jahr 2010 im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit den Chancen einer gewerblich-industriellen Nachnutzung des Standorts befasst und meinen damals wie heute: Ein Forschungs- und Produktionsstandort in Tegel ist sinnvoll, eine Fläche für einen Technologiestandort dieser Größenordnung ist sogar notwendig.

  • Berlin braucht mehr Industrie: Die Zahl der Beschäftigten in der Berliner Wirtschaft entwickelt sich derzeit überaus positiv, die Einkommen jedoch stagnieren auf niedrigem Niveau: Um bis zu 50 % liegt die durchschnittliche Kaufkraft der Berliner Haushalte hinter der anderer deutscher Metropolen. Ein Grund ist der hohe Anteil von Geringverdienern und prekären Beschäftigungsverhältnissen in den boomenden Dienstleistungsbereichen. Berlin braucht mehr gut bezahlte Arbeitsplätze in der Industrie.
  • Berlin braucht innovative Industrie: Trotz vergleichsweise günstiger Innovationsbedingungen ist es bislang nicht gelungen, den Rückstand Berlins bei hochwertigen industriellen Arbeitsplätzen gegenüber den wichtigsten deutschen Wirtschaftsregionen auszugleichen. Im jüngst erschienenen Zukunftsranking des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) fiel Berlin vor allem wegen der schwachen Produktivitätsentwicklung vom zweiten auf den fünften Platz zurück. Der Rückstand Berlins hängt sicher auch mit dem politisch bedingten Verlust der meisten großen Unternehmen nach dem zweiten Weltkrieg zusammen. Die schwache Entwicklung allerdings gibt Anlass zur Sorge. Die Urban tech republic in Tegel könnte hier helfen.
  • Berlin braucht Platz für innovative gewerbliche Gründer: Junge, wissenschaftsbasierte Unternehmen sind besonders wichtige Träger neuer Wertschöpfungsformen. Siemens betrachtet Unternehmensgründer – neben Venture-Capital-Gesellschaften, Think tanks, Lieferanten und Start ups – als die entscheidenden Innovationstreiber. Vor diesem Hintergrund muss die vergleichsweise geringe Gründungsdynamik in forschungsintensiven Zweigen als ein wesentlicher Grund für den Rückstand der deutschen Industrie im Bereich der Spitzentechnologie angesehen werden. Dies gilt in besonderem Maße für Berlin. Jüngere Untersuchungen (BAW 2007) zeigen, dass die Gründungsintensität im Bereich der Spitzentechnik in der Stadt (ebenso wie die Region Berlin-Brandenburg) zumindest bis zum Jahr 2005 unter dem Durchschnitt der 21 deutschen Ballungsräume und weit hinter den führenden Standorten zurücklag. Und diese Unternehmen brauchen Platz um sich entwickeln zu können – und geeignete Expansionsflächen fehlen häufig. Berlin verfügt zwar über 20 Technologie- und Gründerzentren und sechs Technologieparks (u.a. TIB, IPW, WISTA). Die meisten Einrichtungen verfügen jedoch kaum über größere unbebaute Expansionsflächen – entweder weil sie dazu gar nicht ausgelegt sind, oder weil sie mehr oder weniger ausgelastet sind.
  • Berlin braucht Platz für Industrie und Gewerbe: Ohnehin sind geeignete Flächen für Industrie und Gewerbe derzeit Mangelware: Schon der Stadtentwicklungsplan Industrie und Gewerbe aus dem Jahr 2010 zeigte deutlich, dass die Flächen vor allem in der Westhälfte der Stadt nicht mehr ausreichen. Inzwischen hat sich die Situation weiter verschärft: Gewerbebetriebe werden aus den Gemengelagen der Innenstadt verdrängt und sehen sich auf der Standortsuche häufig dem Wettbewerb mit anderen Nutzungen – wie etwa Wohnen – ausgesetzt. Abhilfe können nur attraktive geeignete Flächen schaffen: Mit seiner guten Anbindung, seiner räumlichen Nähe zur Innenstadt, zu wichtigen Unternehmen sowie zu vielen Forschungseinrichtungen ist der Standort Tegel geradezu prädestiniert. Alternativen? Im Prinzip keine!

Die Berliner Wirtschaft braucht dringend die Sicherheit, dass der Stadt auch mittelfristig ein leistungsfähiger Flughafen zu Verfügung steht. Wer allerdings die weitere Offenhaltung desFlughafens Tegel fordert nimmt der Stadt gleichzeitig die Chance auf einen Entwicklungsimpuls, der sie auch im Bereich der Industrie wieder an die Spitze bringen kann. Und damit auch dringend benötigte gut bezahlte Jobs nach Berlin bringt.

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