Berlin wächst und damit auch der Flächenbedarf für mehr Wohnraum, aber auch für die wachsende gewerbliche Wirtschaft. Eine Konsequenz: Gewerbe und Wohnen kommen sich immer näher und damit wachsen auch die Konfliktpotenziale. Im Rahmen des Gewerbeflächenmonitorings 2016 haben wir Experten zu ihrer Einschätzung befragt.
Gewerbe oder Wohnen? Gewerbe und Wohnen!
Die große Mehrheit (81%) der Fachleute aus Wirtschaft, Verbänden und Verwaltung ist der Ansicht, dass die wachsende Stadt mehr Platz sowohl für Wohnen als auch für Gewerbe benötigt. Vier von fünf Befragten heben gleichzeitig die große Bedeutung von Industrie und Handwerk für die Stadt hervor und halte diese für sehr „wichtig“ oder “sehr wichtig“.
Die Berliner Tischlerei Artis am Columbiadamm ist eines der bekanntesten Beispiele für städtische Produktion und Handwerk: Zwischen Tempelhofer Feld und Bergmannkiez wurde 2012 mitten in der Stadt eine moderne Produktionsstätte in unmittelbarer Nachbarschaft zu attraktivem Wohnungsneubau errichtet. Und es gibt noch zahlreiche weitere Fälle: 63 % der Befragten geben an, dass ihnen weitere Beispiele von störungsfreier direkter räumlicher Nähe von verarbeitendem Gewerbe und Wohnraum bekannt sind. Dennoch halten zwei Drittel der Experten die zunehmende Nähe von Wohnen und Gewerbe für ein “großes oder sehr großes“ Problem.
Wohnen verdrängt Gewerbe
Mehr als ein Drittel der Befragten kann auf eigene Erfahrungen mit Nutzugskonkurrenzen zwischen Wohnen und Gewerbe zurück greifen und kennt mehrere Fälle, in denen Berliner Unternehmen aufgrund von heranrückender Wohnbebauung aus Gewerbegebieten verdrängt wurden. Offenkundig beeinflusst dieser Umstand auch die Investitionsbereitschaft von Unternehmen: So ist 43% der Befragten mindestens ein Betrieb bekannt (in vielen Fällen auch mehrere Betriebe), der aufgrund von bestehender Unsicherheiten im Zusammenhang mit Verdrängungsbefürchtungen von eigentlich geplanten Investitionen absah.
Schutz durch Planungsrecht – die große Herausforderung
Für die Experten gilt die Schaffung von Planungsrecht als die größte Herausforderung für die Weiterentwicklung der Berliner Gewerbestandorte: 79% der Befragten bewerten diesen Aspekt als “wichtig” oder “sehr wichtig“. Als effektivstes Instrument zur Vermeidung von Nutzungskonkurrenzen wird von 73% der Experten die planungsrechtliche Absicherung der Industriegebiete angesehen. Als zweitwichtigste Maßnahme wird der Einsatz neuer Technologien zur Verringerung industrieller Emissionen benannt, gefolgt von dem Ansatz Moderationsverfahren bei Nutzungskonflikten zwischen Wohnen und Gewerbe anzuwenden.
Das Eine tun ohne das Andere zu lassen – dies ist die zentrale Forderung der Experten für das Verhältnis von Wohnen und Gewerbe in der wachsenden Stadt. Auf der Suche nach der notwendigen Sicherheit für das Gewerbe, nach Harmonie im Miteinander und guter Nachbarschaftsbeziehung mit Wohnnutzungen, wird die Schaffung von Planungsrecht zur größten Herausforderung – und damit gleichzeitig auch zur wichtigsten Maßnahme.
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