Zahlungskräftig, digital – aber kaum Arbeitsplätze: Die Rechenzentren als neue Konkurrenten im Wettbewerb um die verbliebenen Gewerbeflächen – auch in der Stadt?
Wohnen, Freizeit, Infrastruktur und Gewerbe – Flächen in der Stadt werden immer knapper und teurer, Konflikte zwischen verschiedenen Nutzungsarten und Akteursgruppen nehmen zu. In den letzten Jahren ist ein weiterer Konkurrenten um die besten (Gewerbe-)Lagen in der Stadt in den Fokus gerückt: Datacenter bzw. Rechenzentren sind das Rückgrat der digitalisierten Wirtschaft und wachsen in den letzten Jahren sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihren Abmessungen und Leistungskennzahlen stark. Die anhaltende Digitalisierung sorgt außerdem dafür, dass immer mehr Unternehmen anstelle eigener, kleinerer Rechenzentren die notwendige Technologie und Kapazität bei spezialisierten und zunehmend globalen Rechenzentrenbetreibern wie Equinix und Interxion einkaufen.
“Der Neue” im Gewerbegebiet hat prominente Unterstützer: Angesichts einer prognostizierten Verdreißigfachung des Datenvolumens bis 2030 sagte die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey im letzten Jahr: „Wir wollen Datenstandort Nummer eins in Europa werden, und dafür sind Rechenzentren extrem wichtig.“ Dahin dürfte es noch ein weiter Weg sein: mit über 70 Standorten großer Rechenzentren ist die Region Frankfurt heute in Deutschland der bei weitem wichtigste Datenhub, Berlin folgt mit einigem Abstand auf Platz 2.
Dabei sind solche Rechenzentren für viele Städte und Kommunen nicht nur äußerlich eine “black box”. Die Anfangseuphorie über neue Gewerbesteuerzahler ist inzwischen abgeflaut und Wirtschaftsförderer wie Gewerbeplaner fragen sich, was von den “Neuen” eigentlich zu halten ist: Welche wirtschaftlichen Effekte gehen von Rechenzentren auf die Region aus? Wie sieht die Wertschöpfungskette im lokalen Umfeld aus? Welche Anforderungen stellen die Datacenter an ihre Standorte, die – beispielsweise im Frankfurter Osthafen – mitunter die zentralsten Gewerbelagen suchen und dort zunehmend die anderen Gewerbeflächennutzer bedrängen (siehe Karte).
Die neue Konkurrenz: Hohe Anforderungen, wenig Arbeitsplätze
Von diesem verschärften Wettbewerb um die Fläche sind besonders Unternehmen betroffen, für deren Geschäftstätigkeit Gewerbeflächen unablässig sind. Dazu gehören unter anderen die Logistikwirtschaft, der Großhandel, aber auch Verarbeitendes Gewerbe, Handwerk, Kreativproduzenten oder Start-ups – häufig wichtige Arbeitgeber und mit ihrem jeweiligen Umfeld eng verflochtene Unternehmen.
Verfügbare oder gar bezahlbare Flächen sind mittlerweile Mangelware – dennoch: Die dynamische Entwicklung des Wirtschaftszweigs 63.11.0 „Datenverarbeitung, Hosting und damit verbundene Tätigkeiten“ (WZ 2008), zu der auch die Rechenzentren zählen, hat sich in den letzten Jahren auch unter diversen Vorzeichen hinsichtlich des wirtschaftlichen Wachstums, Inflationsentwicklung, Arbeitskräftemangel usw. unverändert fortgesetzt.
Bevorzugte Standorte liegen zentral, nahe am Kunden und nahe an Umspannwerken und den Datenautobahnen der Republik. Die in Anspruch genommene Grundstücksfläche liegt für sogenannte Hyperscale-Cloud Rechenzentren inzwischen teilweise jenseits der 10 ha und soll möglichst weit von eventuellen Gefahrenquellen entfernt sein.
In Offenbach bei Frankfurt befinden sich Rechenzentren auf 15 ha in Bau, in Hanau werden auf 24 ha Rechenzentren mit eigenem Umspannwerk und einer Leistung von 180 MW geplant.
In Deutschland ist der Raum Frankfurt damit vor dem zweitplatzierten Standort Berlin der größte Rechenzentren-Standort und auch europaweit liegt Frankfurt mit einer Handvoll weiterer Städte in der Spitzengruppe.
Damit rückte diese Nutzungsart, die ehemals selbst in Frankfurt lediglich als Nutzer von gut gesicherten Kellerräumen in den Bankenhäusern auftrat, an die Spitze der gewerblichen Flächenverbraucher. Zwar ist diese Entwicklung aufgrund der großen Bedeutung des Frankfurter Internetknotens DE-CIX nicht 1:1 auf andere deutsche Städte übertragbar. Allerdings werden mittlerweile auch in den meisten anderen Mittel- bis Großstädten Flächen für derartige Nutzer gesucht. Dies stellt die Prognose des Gewerbeflächenbedarfs und damit die Gewerbeflächenplanung vor neue Herausforderungen.
Klar ist: Rechenzentren sind das Herzstück der Digitalisierung und damit von größter Bedeutung für die Zukunft der Wirtschaft in Deutschland. Und die Unternehmen sind überwiegend zahlungskräftige Nachfrager am Gewerbeflächenmarkt, denen Handwerk und das Verarbeitendes Gewerbe kaum etwas entgegenzusetzen haben. Arbeitsplätze dagegen sind Mangelware – selbst große Rechenzentren kommen mit einer geringen Mitarbeiterzahl zur Betreuung der Anlage aus. Die hochqualifizierten Stellen entstehen “remote” – etwa an den Unternehmenssitzen der zumeist amerikanischen oder asiatischen Betreiberkonzerne.
Angesichts der geringen Beschäftigtenzahlen vor Ort muss die Frage gestellt werden, wie groß der Beitrag der Rechenzentrenbranche zur Wertschöpfung tatsächlich ist und welche Effekte auf die lokale und regionale Kaufkraft von den Unternehmen ausgehen. Zudem stellen Rechenzentren hohe Anforderungen an die Flächen: Energiehunger, Wärmeemissionen und natürlich eine gute Leitungsinfrastruktur mit geringen Latenzzeiten.
Gerade der letzte Punkt bringt Frankfurt – auch im Vergleich zu Berlin – in eine Pole-Position. Hier liegt mit dem DE-CIX ein zentraler Internetknotenpunkt des Kontinents. Die räumliche Nähe der umliegenden Rechenzentren bringt ihren Kunden wertvolle Vorteile. Im Ergebnis haben sich 7 der 10 größten deutschen Rechenzentren in diesem Raum angesiedelt (siehe Tabelle unten).
Rang und Betreiber | Ort | Flächenverbrauch |
---|---|---|
1. Hetzner Datacenter-Park | Falkenstein (Vogtland) | 100.000 m² |
2. e-shelter | Frankfurt | 65.000 m² |
3. Equinix | Frankfurt | 44.000 m² |
4. Interxion | Frankfurt | 40.000 m² |
5. Telehouse | Frankfurt | 25.000 m² |
6. Global Switch | Frankfurt | 17.000 m² |
7. ITENOS | Frankfurt | 14.000 m² |
8. eshelter | Berlin | 13.000 m² |
9. TelemaxX | Karlsruhe | 8.000 m² |
10. TelecityGroup | Frankfurt | 7.300 m² |
Wie lässt sich die Entwicklung steuern?
Deshalb stellen sich inzwischen viele Städte und Regionen die Frage, ob sie noch weitere Rechenzentren zulassen wollen oder die noch verfügbaren Flächen nicht sinnvoller an andere Nutzungen vergeben werden sollten. Dafür allerdings werden je nach Ausgangslage geeignete Steuerungsinstrumente – vor allem das Planungsrecht – benötigt.
Eine der in Frankfurt verfolgten Strategien ist die Entwicklung geeigneter Auflagen, um zumindest die energetischen und Umweltprobleme durch Rechenzentren etwas auszugleichen. So ist in Frankfurt die Abwärme neuer Datacenter möglichst in Fernwärmenetze einzuspeisen oder zur Heizung naheliegender Wohngebiete zu nutzen. Ganz generell soll eine bessere städtebauliche Einbindung der Anlagen erreicht werden. Auch werden die Betreiber stärker in die Entwicklung der gewerblichen Bauflächen eingebunden. So müssen sich Betreiber an Deutschlands attraktivstem Rechenzentrenstandort an Altlastensanierungen beteiligen oder lokale Initiativen und Vereine fördern. In städtebaulichen Verträgen werden messbare Nachhaltigkeitsziele verankert.
Die Zukunft wird zeigen, ob es gelingt, eine wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltige Balance in der Rechenzentrenentwicklung zu sichern und dabei auch die finanziell schwächeren Akteure auf dem Gewerbeflächenmarkt mitzunehmen. Auf dieser Grundlage könnten sich dann auch andere Städte und Gemeinden eine qualifizierte Meinung zu dieser komplexen Thematik bilden. In jedem Fall aber werden sich Wirtschaftsförderung und Gewerbeflächenplanung zukünftig allerorts mit diesem neuen Player auf dem Gewerbeflächenmarkt befassen müssen.
In Berlin erwägt die Senatsverwaltung Rechenzentren auf den für Industrie und Produktion besonders geschützten “EpB”-Flächen in Zukunft auszuschließen. Damit wäre allerdings der Wunsch, Deutschlands führender Rechenzentrums-Standort zu werden, in weite Ferne gerückt.