Blick in die Zukunft – wie Megatrends den Gewerbeflächenbedarf beeinflussen

Globale Megatrends beeinflussen die Entwicklung der lokalen Wirtschaft und wirken damit auch auf die Nachfrage nach Gewerbeflächen. Dabei sind diese Effekte nur schwer zu quantifizieren. Die folgende Übersicht zeigt die relevanten Tendenzen in Wirtschaft und Gesellschaft und skizziert mögliche qualitative Effekte auf die Entwicklung des Gewerbeflächenbedarfs mit Fokus auf den Bereich des Verabeitenden Gewerbes in den Städten.

Urbanisierung

Der Trend zur Urbanisierung wirkt sich in wachsendem Maße auch auf die Immobilienmärkte der Städte und Stadtregionen aus. Der Druck auf die innerhalb der Metropolen zur Verfügung stehenden Ressourcen nimmt zu und verstärkt die Tendenz zur Herausbildung von stadtkompatiblen – urbanen – Industrien. Die Experten der „stiftung neue verantwortung“ sehen in der „Wiederentdeckung der Industrie in Deutschland“ daher eine große Chance für die Städte. Die Zukunft wird von den Forschern nicht mehr ausschließlich in neuen Produkten und Prozessen gesehen, sondern vielmehr in einem verstärkten Miteinander von Industrie und Stadt. Notwendig ist eine aktive industrieorientierte Wirtschaftspolitik, ein Faktor, der auch den Trend zu Konzepten für die Industrie in den Städten – häufig unter dem Begriff  „Masterplan Industrie“ – erklärt. Das Zeigen von „Engagement“ wird dabei neben der Unterstützung von Bildung, Innovationsfähigkeit, proaktiver Flächenvermarktung sowie der Steigerung der Umweltqualität als zentrales Element für die Entwicklung von „Urban Industries“ gesehen.

Globalisierung

Die nationalstaatlichen Grenzen verlieren an Bedeutung, der Welthandel und die internationale Arbeitsteilung nehmen weiter zu. Die Bedeutung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien wächst und macht auch neue, vernetzte Modelle der industriellen Produktion möglich. Dies führt zu einem globalen Konkurrenzkampf, dem sich die Unternehmen, aber auch die Städte und Regionen, stellen müssen. Dabei werden sich die Räume mit den besten Rahmenbedingungen durchsetzen. Um sich behaupten zu können ist ein attraktives Umfeld mit einem klaren politischen und gesellschaftlichen Bekenntnis zu den Perspektiven des Standorts notwendig, aber auch ein qualitativ wie quantitativ ausreichendes Angebot an verfügbaren Gewerbeflächen.

Outsourcing und Tertiärisierung der Industrie

Die Grenzen zwischen den Tätigkeitsschwerpunkten von Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes und Dienstleistungsunternehmen werden zunehmend unschärfer, die Verflechtung zwischen der klassischen Produktion und den vor- sowie nachgelagerten Funktionen nimmt zu. Die Hybridisierung von Produktion und Produkten gewinnt an Bedeutung. Gleichzeitig werden Dienstleistungen nach wie vor von vielen Unternehmen ausgelagert. Was sich in der amtlichen Statistik dann als ein Rückgang des Verarbeitenden Gewerbes niederschlägt, erweist sich bei eingehender Betrachtung der tatsächlich genutzten Gewerbeflächen häufig als rein statistische Umbuchung: Funktionen wie Logistik, Konfektionierung, Verpackung und Facility management werden zwar von externen Dienstleistern erbracht, diese nutzen jedoch für ihre Tätigkeiten häufig nach wie vor dieselben Flächen. Auch wenn Unternehmen beauftragt werden, die an anderen Standorten ansässig sind, werden dort in der Regel ebenfalls Gewerbeflächen genutzt. Damit verändern sich zwar die Struktur der genutzten Flächen sowie die Beschäftigtenstruktur – weniger Verarbeitendes Gewerbe und mehr Dienstleistungen. Der Umfang der genutzten Gewerbeflächen bezogen auf die Wertschöpfung sowie die tatsächliche Nutzungsstruktur bleibt jedoch im Wesentlichen unverändert.

Weiterhin wird allgemein davon ausgegangen, dass im Zuge der Tertiärisierung der Produktion der Anteil der Dienstleistungsarbeitsplätze in den Industrieunternehmen weiter steigen wird. Aufgrund der stärkeren Automatisierung der Prozesse wird sich dies jedoch kaum auf die benötigte Gewerbefläche je Produktionseinheit auswirken.

Digitalisierung und Industrie 4.0

Die räumlichen Auswirkungen dieses häufig als vierte industrielle Revolution bezeichneten Megatrends lassen sich derzeit nicht abschließend beurteilen. Grundsätzlich lassen sich hinsichtlich des Gewerbeflächenbedarfs zwei gegenläufige Entwicklungstendenzen ausmachen, die sich möglicherweise aufheben könnten. So wird die digitalisierte und vernetzte Produktion einerseits kleinteiliger, flexibler und voraussichtlich auch kreativer. Dies könnte zu einer stärkeren auch räumlichen Unabhängigkeit der Produktion von den tradierten gewerblichen Strukturen und zur Entwicklung einer dezentralen, möglicherweise dann auch wieder städtischen Industrie führen. Andererseits aber zeichnet sich ab, dass die erhöhte Flexibilität und Individualität der Produktion sowie die sich selbst organisierenden und optimierenden Prozesse zu mehr Flächenverbrauch – beispielsweise für unmittelbar produktionsbezogene Lagerhaltung von zahlreichen unterschiedlichen Vorprodukten oder einer breiteren Palette an unterschiedlichen Fertigungstechnologien – führen könnten.

Kundenorientierung und Individualisierung

Mit zunehmender Individualisierung der Nachfrage nimmt auch innerhalb der Wertschöpfungsstruktur der Industrie die Bedeutung von ergänzenden, vor- oder nachgelagerten Dienstleistungen zu. Die technischen Möglichkeiten machen die Produktion von individualisierten Produkten immer einfacher. Chancen ergeben sich hieraus insbesondere für Branchen, die auf den Endkunden orientiert sind. Im Nahrungsmittelgewerbe sowie bei der Herstellung von Textilien oder Schmuck lässt sich beispielsweise bereits ein deutlicher Trend zur kleinteiligen, kiezbezogenen Produktion feststellen. Individualisierte, lokal hergestellte Produkte für heimische Kunden gewinnen an Bedeutung. Damit einher geht die steigende Nachfrage nach Produktionsmöglichkeiten in Gemengelagen.

Demographischer Wandel

Gerade in den modernen Industrienationen führt der demographische Wandel derzeit zu einer grundlegenden Veränderung der Gesellschaft. In der Wirtschaft wird dieser Megatrend vor allem als Fachkräftemangel schmerzhaft spürbar. Mit dem schrittweisen Rückzug der Baby-Boomer aus dem Arbeitsmarkt wird sich dieser Engpass noch weiter verschärfen. Ob und in welchem Umfang sich diese Entwicklung durch Zuwanderung kompensieren lässt ist derzeit nicht absehbar. Auch über die Auswirkungen auf den Bedarf an Gewerbeflächen kann lediglich spekuliert werden. Sollte der Fachkräftemangel die Entwicklung der Wirtschaft insgesamt negativ beeinflussen, so ist allerdings von einer Abschwächung des Gewerbeflächenbedarfs auszugehen. Andererseits wird die Wirtschaft alles daran setzen, um einen möglichen Personalmangel durch Rationalisierungs- und Automatisierungsinvestitionen zu kompensieren.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem “Räumlich-funktionalen Entwicklungskonzept Gewerbe” für Frankfurt am Main, das regioconsult in Zusammenarbeit mit Spath + Nagel erarbeitet hat. Das Konzept ist im REGIOVERLAG erschienen und kann hier bezogen werden.

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