3 Jahre ExWoSt in Berlin-Lichtenberg: Wie Netzwerke zur Standortentwicklung beitragen können

Herzbergstraße
Wirtschaftsstandort Herzbergstraße: Tradition mit Zukunft

Welchen Beitrag können Netzwerke zur Sicherung und Weiterentwicklung von Gewerbegebieten leisten? In einer Broschüre haben wir das Gewerbegebiet Herzbergstraße porträtiert und uns dabei auch mit den Erfahrungen aus drei Jahren Begleitung des Gewerbestandorts Herzbergstraße im Rahmen des ExWoSt-Programmes “Nachhaltige Entwicklung von Gewerbegebieten” befasst. Im Focus: Die unterschiedlichen Typen von Netzwerken.

Cluster, Initiativen, Netzwerke

Die Initiierung, Gründung und Begleitung eines Standortnetzwerkes war die Kernmaßnahme des ExWoSt-Projektes in Berlin-Lichtenberg. Es hat sich aber gezeigt, dass diese formelle Form der Kooperation nur eines von mehreren Modellen der Zusammenarbeit der lokalen Unternehmen ist. Unsere Erfahrung nach drei Jahren: Die in der Herzbergstraße entstandenen Kooperationsmodelle sind so vielfältig wie das Gebiet selbst.

  • Das UnternehmensNetzwerk Herzbergstraße entstand als Reaktion auf zunehmende Unsicherheiten über die Zukunft des Gebietes. Seine Entwicklung wurde vom Bezirk unterstützt und vom Gebietsmanagement begleitet. Der Zusammenschluss versteht sich als Interessenvertretung der ansässigen Unternehmen.
  • Weitere Initiativen sind auf die Aktivierung zwischenbetriebliche Synergien ausgerichtet. Durch gemeinsame Personalsuche, die Zentralisierung des Standortmarketings und den gemeinsamen Einkauf sollen Kosten gespart werden.
  • Das Gebietsmanagement hat sich dem Gebiet als Kümmerer im Auftrag des Bezirks angenommen und ein Netzwerk von Unterstützern und Interessierten aus Institutionen, Verbänden, Verwaltung und Politik aufgebaut.
  • Das Cluster von kleinen, innovativen Unternehmen um die Fahrrad-Produktion basiert auf einer gemeinsamen Vision für ein bestimmtes Produkt.

Alle Formen und Initiativen haben ihre Berechtigung und sind oftmals erfolgreicher, als andere Instrumente. Es gibt jedoch kein Universalrezept, vielmehr unterscheiden sich die Ansätze hinsichtlich Struktur, Professionalisierungsgrad, Initiator oder Finanzierung.

Fallbeispiel Produktionscluster

Aus der Idee von ein paar Fahrrad-Freunden im Gewerbegebiet Herzbergstraße ist in wenigen Jahren ein international erfolgreiches Cluster der Fahrrad-Produktion entstanden. Die untenstehende Karte zeigt das Netzwerk der unterschiedlichen Betriebe, die Teile zuliefern oder weiterverarbeiten: Auf dem ehemaligen Konsum-Gelände teilen sich die Unternehmen Fern Fahrräder und Meerglas Fahrradrahmenbau eine Werkstatt sowie sämtliche Maschinen, Fahrradtaschen entstehen gleich nebenan im gleichen Gebäude bei Gramm Tourpacking. Die Lackierungen erhalten die Bikes von Velociao, das ein paar Straßen weiter im Gewerbegebiet angesiedelt ist. Die Liste der Kooperationspartner ist lang: Metallbaubetriebe und Schweißer, Tischlereien (z. B. für Messestände) und Großhändler – alle zusammen bilden ein Produktionscluster, das auf räumlicher Nähe, persönlichem Kontakt und der gemeinsamen Kreativität gründet und Lichtenberg so auf die Landkarte von Fahrradfans in der ganzen Welt gesetzt hat.

Fahrradcluster Graphik
Fahrrad-Produktion in der Berliner Herzbergstraße: Ein Netzwerk innovativer Handwerks- und Produktionsbetriebe hat sich in wenigen Jahren etabliert.

Herausforderungen und Potenziale

Die Herausforderungen, denen sich die beteiligten Unternehmen bei der Weiterentwicklung ihrer Initiativen stellen müssen, bestehen nicht nur im Gebiet Herzbergstraße, sondern gleichermaßen auch an anderen Standorten: Wie können unterschiedliche Interessenlagen vereint und die produktive Koexistenz gefördert werden? Wie neue, engagierte Mitglieder gewonnen und die Finanzierung gesichert werden? Wie kann die Unabhängigkeit gewährleistet und für einen Ausgleich zwischen großen und kleinen Unternehmen unterschiedlicher Branchen gesorgt werden?

Durch die Initiativen dieser Akteure gewinnt die öffentliche Hand Partner bei der nachhaltigen Weiterentwicklung der Standorte. Die Unterstützung und Stärkung der privaten Initiativen wird damit zu einem probaten Instrument der Standortentwicklung. Auch wenn diese selbstgetragenen Strukturen häufig nachhaltiger sind, als Initiativen von Verwaltung und Politik: Die öffentliche Hand wird nicht vollständig aus der Verantwortung entlassen werden können. Angesichts des zunehmenden Drucks auf die Gewerbeflächen und der damit verbundenen Konflikte muss geprüft werden, ob die Aufgabe der Entwicklung der Standorte nicht einer größeren öffentlichen Aufmerksamkeit bedarf und durch einen „Kurator“ oder Kümmerer – der öffentlich oder privat sein kann – kontinuierlich und aktiv begleitet werden sollte.

Für beide Netzwerktypen – die öffentlichen wie die privaten – gilt es Lagerbildung und Klientelpolitik zu vermeiden und sich auf gemeinsame Ziele zu verständigen. Gelingt dies, dann dürften der Standort, die ansässigen Unternehmen und auch die öffentliche Hand gewinnen. Andernfalls werden andere, vermutlich aufwändigere Konzepte und Verfahren etabliert werden müssen.  

Wirtschaftsstandort Herzbergstraße – Tradition mit Zukunft: Dieser Text ist leicht überarbeiteter Auszug aus unserer aktuellen Publikation zur Entwicklung dieses innerstädtischen Gewerbestandorts in Berlin und den Erfahrungen aus dem dreijährigen ExWoSt Forschungsprogramm “Nachhaltige Weiterentwicklung von Gewerbegebieten”. Die gesamte Publikation mit zahlreichen Karten und Infographiken ist erhältlich über den REGIOVERLAG.

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