Coworking in Berlin – Impulse auch für die Entwicklung der Industrie?

Coworking Space bei Factory Berlin. Quelle: factoryberlin.com

Mitarbeit: Ilias Dimakopoulos

In diesen Tagen wird am Görlitzer Park mit der nächsten „Factory“ nicht nur eines der größten Gründerzentren Europas eröffnet, sondern auch ein weiteres Coworking Space (CWS). Nach Zählung der Senatsverwaltung für Wirtschaft wird es die 100. Einrichtung dieser Art sein – weltweit können nur zwei Metropolen mehr CWS vorweisen. Für freelancer etwa aus dem IT- oder Marketingbereich hat diese Arbeitsform eine wachsende Anziehungskraft und dürfte auch dazu beigetragen haben, dass Berlin mittlerweile als das europäische Silicon-Valley bezeichnet wird. Welcher Einfluss aber geht von diesen Einrichtungen auf die Entwicklung von Industrie und produzierendem Handwerk aus?

Derzeit betreiben 85 Anbieter im gesamten Stadtgebiet mehr als hundert Coworking Spaces, Einrichtungen also, in denen einzelne Arbeitsplätze oder Büros nach unterschiedlichen Modellen temporär angemietet werden können. Zusätzlich zum Arbeitsplatz wird in der Regel eine leistungsfähige Infrastruktur angeboten, also beispielsweise Wlan-Anbindung, Gemeinschaftsküchen, Besprechungsräume oder gemeinsam genutzte technische Geräte wie Drucker, Plotter usw..

Wenige Coworking Spaces mit Produktionsbezug

Die bestehenden CWS sind überwiegend (93%) innerhalb des S-Bahn-Rings ansässig. Demgegenüber sind die klassischen Gewerbegebiete für diese Einrichtungen offenbar weniger interessant: Lediglich vier CWS haben ihren Standort in Gebieten, die vom Berliner Senat im Stadtentwicklungsplan Industrie und Gewerbe als Kernbereiche der Entwicklung des produzierenden Bereiches ausgemacht wurden. Dazu gehören mit Karibuni und Kunstfabrik HB55 zwei Projekte im Gebiet Herzbergstraße, das Ahoy! Berlin im Humboldthain und der Coworking Space im CleanTech Innovation Center in Marzahn-Nord.

Übersicht über Coworking-Standorte in Berlin. Karte: regioconsult.

Wir haben die CWS hinsichtlich ihrer Zielgruppen differenziert. Dabei fällt auf, dass diese primär die Unternehmen der IT-Branche ansprechen, während produktionsbezogene Projekte – in der Karte gelb markiert – rar sind. Lediglich in den wenigen dargestellten Fällen – vielfach Einrichtungen mit künstlerischem Schwerpunkt –  werden Werkzeuge und Maschinen, wie z.B. 3D-Drucker, Lasercutter, Fräsen, Nähmaschinen, Bedruckungsmaschinen, etc. zur Verfügung gestellt. Dies gilt beispielsweise für das Co.up und die C-Base in Kreuzberg, das Tuesday in Schöneberg und das FabLab in Prenzlauer Berg. Diese Anlagen sind allerdings primär auf die Produktentwicklung und Kleinserienfertigung ausgerichtet. CWS für echte Produktionsunternehmen fehlen.

Coworking Space oder Gründerzentrum?

Ein breites Angebot an Maschinen, Werkstätten und Endgeräten für junge Unternehmen und Startups halten dagegen viele der 21 Technologie- und Gründungszentren (TGZ) bereit. Diese Einrichtungen bieten allerdings in der Regel kaum Möglichkeiten zur kurzfristigen Anmietung von Arbeitsplätzen. Eine Ausnahme wird das derzeit im Südwesten in unmittelbarer Nähe zur FU entstehende FUBIC bilden, in das auch ein CWS integriert werden soll. Die Industrieorientierung lässt sich nicht nur an Infrastrukturangebot, sondern auch am Standort ablesen: Anders als die CWS sind die TGZ häufig in den Industrie- und Gewerbegebieten ansässig, so z.B. am Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof, und in der Regel (90 %) auch in der Nähe zu Universitäten und Forschungseinrichtungen. Allerdings: die Gründer- und Technologiezentren sind in der Regel öffentlich gefördert und per Definition auf die Startphase der Unternehmen ausgerichtet. Nach Ende der Unterstützung müssen die Unternehmen diese Standorte verlassen.

In einigen Fällen werden Gründerzentren in Gewerbegebieten auch in Kooperation mit oder von Unternehmen betrieben, wie z.B. der HTW-Gründungscampus Siemensstadt mit Siemens. Hinzu kommen Forschungsstandorte von Unternehmen (also Fabs, Labs, Hubs, Mindboxes, Campi, Spaces, Centers, etc.), in denen nach dem Modell eines Coworking Spaces gearbeitet wird. Allerdings werden die Flächen in diesen Projekten häufig von den Unternehmen vergeben, ein unbeschränkter Zugang für jeden Nachfrager wie bei den klassischen CWS ist in der Regel nicht gegeben. Beispiele dafür sind das InfraLab der sechs Berliner Infrastrukturunternehmen auf dem EUREF-Gelände oder die Mindbox Berlin der Deutschen Bahn an der Jannowitzbrücke.

Während also die Coworking Spaces für die Entwicklung des Dienstleistungsbereiches und insbesondere des IT-Standorts Berlin von großer Bedeutung sind, gilt dies für die Entwicklung von Industrie und Handwerk nur eingeschränkt. Nur wenige Einrichtungen bieten kleineren produktionsorientierten (Neu-)Unternehmern adäquate Ansiedlungsbedingungen. Damit stellt dieses Modell derzeit keine echte Alternative zu den klassischen Technologie- und Gründerzentren dar. Die möglichen Impulse auf die Entwicklung der Industrie in der Stadt lassen sich noch nicht abschließend beurteilen. Ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang besteht indes nicht.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten