Industrie neben Gewerbe: Wie in Chemnitz eine historische Fabrik auflebt

Konversionsprojekt Schönherr-Fabrik, Chemnitz
Konversionsprojekt Schönherr-Fabrik in Chemnitz. Dieser hintenliegende Bereich ist insbesondere dem Handwerk und produzierenden Gewerbe vorbehalten. Foto: regioconsult

Historische denkmalgeschützte Industriegebäude sind in Chemnitz stadtbildprägende Zeichen der langjährigen industriellen Traditionen – und große Herausforderungen in der Nachnutzung als Flächen für Gewerbe, Dienstleistung oder Wohnen. Die Kosten für Sanierung oder die Entfernung von Altlasten sind groß, die erzielbaren Flächenpreise in der drittgrößten Stadt Ostdeutschlands dagegen gering. Ein Positivbeispiel haben wir mit der erfolgreichen Konversion der Schönherr-Fabrik gefunden.

Bis 1993 wurden an diesem innenstadtnah gelegenen Standort Webstühle hergestellt. Seit 1999 erfolgt die schrittweise Sanierung und Neuvermietung mit einem beeindruckenden Mix aus Produktion, Dienstleistung und Handel.

Bemerkenswert und ein Schlüssel für den Erfolg des Projekts ist die Weiterführung der fabrikeigenen Gießerei als Teil des bunten Nutzungsmixes. Nach dem Ende der Webstuhlherstellung hat sich das Unternehmen als Automobilzulieferer etabliert und ist damit heute Teil eines in Chemnitz historisch starken Wirtschaftsbereiches. Die Gießerei gehört dem bayrischen Unternehmen Trompetter Guss und ist trotz der nahen Wohngebiete in ihrem Bestand gesichert.

Ehem. Schönherr-Fabrik: Die Nachnutzung der ehemaligen Webstuhlfabrik reicht von Handel und Dienstleistung über kleinteiliges Handwerk bis zum ausgewachsenen Industrieunternehmen. Graphik: regioconsult

Zu den neuen Nutzern gehören Handwerksbetriebe und Bauunternehmen, genauso wie Unternehmen aus den Bereichen Beratung, Bildung, Gesundheit und Kunst. Technologie- und IT-Unternehmen sind in Chemnitz insbesondere durch die technische Universität ein zunehmend wichtiger Faktor und haben sich ebenfalls hier eingemietet. Auch einige ansässige Handelsunternehmen beispielsweise für Handwerkerbedarf, Sportartikel oder Orthopädie-Artikel fügen sich gut in die neue Struktur ein.

Die unterschiedlichen Nutzungsarten sind räumlich gegliedert, da hier spezifische Anforderungen, beispielsweise an die Belieferung oder die Nähe zu Kundenparkplätzen bestehen. So haben haushaltsorientierte Dienstleistungen, Gastronomiebetriebe und Handel im vorderen Bereich des Geländes eine bessere Sichtbarkeit und repräsentativere Räumlichkeiten. Laute Handwerks- und Bauunternehmen mit Bedarf an größeren Lagerflächen sind im hinteren Bereich angesiedelt und somit auch weiter weg von der umgebenden Wohnbebauung.

Es gibt noch ein paar freie Flächen auf dem insgesamt etwa 8 Hektar großen Gelände, aber auch noch weitere Herausforderungen. So sind insbesondere Fragen des Denkmalschutzes an den ehemaligen Gebäuden der Fabrikleitung ein Thema.

Der vordere Bereich der ehemaligen Schönherr-Fabrik ist repräsentativer gestaltet und beheimatet insbesondere Dienstleistungs- und Handelsunternehmen. Foto: regioconsult

Mit dem Mix aus klassischer Industrieproduktion, Handwerk sowie haushalts- und unternehmensorientierten Dienstleistungen in einem historischen Umfeld stellt die Schönherr-Fabrik ein best-practice-Beispiel für ein gelungenes Miteinander ganz unterschiedlicher Nutzerarten dar. Dadurch ist es gelungen einem Industriedenkmal neues Leben einzuhauchen und auch wirtschaftlich ist das Modell selbst ohne Wohnen offensichtlich tragfähig. Das Projekt dürfte dabei auch von seiner relativ innenstadtnahen Lage sowie der Weiterführung eines Teiles der ursprünglichen Industrie profitiert haben.

Auch die Flexibilität von Eigentümer, Nutzer und Behörden wird zum Erfolg beigetragen haben. Das Ergebnis steht dann ganz im Zeichen des für die Zukunft notwendigen nachhaltigen Umgangs mit Flächen. Eine Wiederholung des Erfolges ist also hier wie anderswo wünschenswert. Chemnitz verfügt noch über eine ganze Reihe ähnlicher historisch bedeutsamer Industrieruinen in teils guter innerstädtischer Lage.

regioconsult erstellt Gewerbeflächenentwicklungskonzepte für Kommunen und Regionen – zuletzt unter anderem für die Städte Frankfurt, Freiburg und Chemnitz. Dabei ist auch die Revitalisierung ehemaliger Produktionsflächen ein Thema. Wenn Sie mehr über die Arbeit von regioconsult erfahren möchten, besuchen Sie uns auf www.regioconsult.de oder sprechen Sie uns an: info@regioconsult.de